Camille - verliebt nochmal! Ein Film von und mit Noémie Lvovsky. Ab 15. August 2013 im Kino - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Kunst + Kultur



AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 12.08.2013


Camille - verliebt nochmal! Ein Film von und mit Noémie Lvovsky. Ab 15. August 2013 im Kino
Judith Wolff

Was trennt eine richtige von einer falschen Entscheidung? Nach 25 gemeinsamen Jahren ist Camille von ihrer großen Liebe verlassen worden. Ihr in Scherben liegendes Leben wäre ganz anders...




... verlaufen, wenn sie sich als Teenager nicht in Éric verliebt hätte und von ihm schwanger geworden wäre. Plötzlich hat sie tatsächlich die Möglichkeit, diesen anderen Weg zu gehen.

Zurück in die Jugend

Ihre verzweifelte Situation ertränkt Camille beim Wiedersehen mit ihren alten Schulfreundinnen zur Sylvesterfeier in sehr viel Champagner – mit weitreichenden Folgen. Als die Vierzigjährige am nächsten Morgen im Krankenhaus erwacht, ist sie in die entscheidende Zeit ihrer Jugend zurückversetzt. Perplex und beglückt trifft sie auf ihre Teenagerfreundinnen und auf ihre damals noch lebenden Eltern, die das verwirrte Verhalten ihrer erst fast sechzehnjährigen Tochter auf den alkoholischen Neujahrsexzess schieben.

Eine zweite Chance

Camille wird erst beim Zusammentreffen mit Éric (Samir Guesmi) schlagartig klar, welche Bedeutung ihre Zeitreise haben könnte. Ihr bietet sich die Möglichkeit, ihren Lebensverlauf grundsätzlich zu verändern, denn sie befindet sich in der Zeit kurz vor ihrem sechzehnten Geburtstag im Jahr 1985. Der Zeit, in der sie nicht nur Éric kennenlernt und mit ihm kurzerhand ihre gemeinsame Tochter zeugt, sondern in der auch ihre Mutter völlig unvorhergesehen an einem Aneurysma stirbt. Camille beschließt, ihr Schicksal in die Hand zu nehmen. Weder will sie sich auf Éric einlassen, der sie zweieinhalb Jahrzehnte später für eine Andere verlassen und sie damit in ein tiefes Loch stürzen wird, noch wird sie zulassen, dass ihre Mutter stirbt.

"Wenn Du wüsstest was mit Allen passiert, was würdest Du tun?"

Doch ihre Versuche, aktiv auf das Vergangene, nun Gegenwärtige, einzuwirken gestalten sich schwieriger als gedacht. Ihrer Mutter, die sie zu einer medizinischen Untersuchung drängt, wird für vollständig gesund erklärt. Auch der Anziehungskraft zwischen ihr und Éric ist kaum etwas entgegenzustellen. Widerwillig erliegt sie erneut dem Charme ihrer Lebensliebe. Auch weil sie sich bewusst wird, dass sie Gefahr läuft, mit der gemeinsamen Zukunft auch ihre geliebte Tochter zu verlieren. Zwischen dem Unwillen, das Vergangene geschehen zu lassen und der Einsicht, dass das Schmerzhafte zum Lebensglück und zur Liebe gehört, muss sich Camille entscheiden, ob sie ihre persönliche Lebensgeschichte annehmen will.

Liebevolle Zeitreise

"Camille – verliebt nochmal!" überzeugt vor allem mit viel Wärme. Die Figuren wachsen den ZuschauerInnen sofort ans Herz. Die Charaktere wirken echt, ihre Eigenarten und Emotionen berühren wie selbstverständlich. Da stört es kaum, dass der Film weder auf einer wirklich neuen Idee basiert – der Vergleich zu Coppolas "Peggy Sue got married" drängt sich auf - noch mit großen Überraschungen aufwartet.
Bemerkenswert ist, dass die Hauptfigur und ihre vor der Zeitreise auftretenden MitdarstellerInnen nicht durch jüngere SchauspielerInnen ersetzt wurden. Diese Herausforderung meistern die DarstellerInnen glänzend.

Dank der gefühl- und humorvollen Umsetzung einer Thematik, die wohl schon jedeN irgendwann berührt hat, schafft es der Film trotz der immer wieder auftauchenden, manchmal sehr offensichtlich verpackten Lebensweisheiten und Zeitsymboliken, nicht in Kitsch abzurutschen. Eine wirkliche Zeitreise in die 1980er Jahre erleben die ZuschauerInnen allerdings trotz Walkman und "99 Luftballons" nicht. Wie die Filmmusik, die sich auch aktuellen Hits wie Asaf Avidans "Reckoning Song" bedient, bleiben die Bilder auf das Zwischenmenschliche fokussiert – was ohne Frage gelingt.

AVIVA-Tipp: Noémie Lvovsky, die nicht nur die Hauptfigur spielt, sondern auch Regie führte und am Drehbuch mitwirkte, hat mit dem typisch französischen Blick für die kleinen Dinge eine innige, leichte und herzerwärmende Hommage an das Leben geschaffen. Ein Film, der unterhält und berührt.

Zur Regisseurin und Hauptdarstellerin: Noémie Lvovsky wurde 1964 in Paris geboren. Die Drehbuchautorin, Schauspielerin und Regisseurin, Tänzerin und Komödiantin studierte Literatur- und Filmwissenschaften sowie Drehbuchentwickung an der renommierten Filmhochschule "La fémis". Nach der Realisierung von Kurzfilmen gab sie 1994 ihr Regiedebüt in "Vergiß mich". Der Film "Das Leben macht mir keine Angst", für den sie 1999 Regie führte, gewann den Jean Vigo-Preis. In Yvan Attals Liebeskomödie "Meine Frau, die Schauspielerin" trat sie 2001 das erste Mal als Schauspielerin in Erscheinung. Für diese Rolle und für weitere schauspielerischen Leistungen (u.a.: "Jungs bleiben Jungs", "Haus der Sünde") wurde sie mehrfach ausgezeichnet. In "Camille – verliebt nochmal!" ist sie nun erstmals vor und hinter der Kamera aktiv.

Camille – verliebt nochmal
Originaltitel: Camille redouble
Frankreich 2012
Regisseurin: Noémie Lvovsky
Drehbuch: Noémie Lvovsky, Maud Ameline, Pierre-Olivier Mattei, Florence Seyvos
Kamera: Jean-Marc Fabre
Schnitt: Anette Dutertre, Michel Klochendler
Ton: Olivier Mauvezin, Syvain Malbrant, Stéphane Thiebaut
Musik: Gaëtan Roussel, Joseph Dahan
Ausstattung: Frédérique Lapierre
Kostüm: Madeline Fontaine
DarstellerInnen: Noémie Lvovsky, Samir Guesmi, Judith Chemla, India Hair, Julia Faure, Yolande Moreau, Michel Vuillermoz, Denis Podalydès, Mathieu Almaric
Produktion: Jean Lois Livi (F Comme Film), Phillippe Carcassonne (Cine@)
Weltvertrieb: Gaumont
Verleih: movienet
Filmlänge: 115 min

Kinostart: 15. August 2013
www.camille-derfilm.de

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

17 Mädchen - ein Film von Delphine und Muriel Coulin

Actrices... oder der Traum aus der Nacht davor

Familientreffen mit Hindernissen - ein Film von und mit Julie Delpy

HAUS DER SÜNDE. L´APOLLONIDE – Souvenir de la maison close





Kunst + Kultur

Beitrag vom 12.08.2013

AVIVA-Redaktion